Die Kybernetik wäre denkbehindert, verstünde sie nicht, die hervorragenden Werkzeuge der Informatik einzubeziehen. Die Informatik wäre sichtbehindert, verzichtete sie auf die ganzheitliche Systemdenkweise der Kybernetik.
Karl Reinisch (* 21. August 1921 in Dresden; † 24. Januar 2007 in Ilmenau) war ein deutscher Elektroingenieur und Professor für
Regelungstechnik in Ilmenau. Unter seiner Leitung wurden tragfähige Grundlagen für die Automatisierungs- und Systemtechnik als
Bestandteile der technischen Kybernetik an der Technischen Universität Ilmenau geschaffen. Auch war er langjährig bei der
internationalen Föderation für Wissenschaft und Technik von Automatisierung und Regelung, der International Federation of
Automatic Control (IFAC) aktiv. Er erhielt 1940 sein Abitur und diente die folgenden fünf Jahre im Zweiten Weltkrieg. Von 1946 bis
1950 studierte Elektrotechnik in der Richtung Schwachstromtechnik an der Technischen Hochschule Dresden, unter anderem bei Professoren
wie Heinrich Barkhausen und Georg Mierdel. Letzterer überzeugte Reinisch, sich mit Regelungswissenschaften zu befassen. Direkt nach
dem Studium wurde er Assistent, später Oberassistent für Allgemeine Elektrotechnik und hatte von 1951 bis 1953 einen Lehrauftrag für
Theoretische Elektrotechnik. Weitere Lehrerfahrungen sammelte er in Magdeburg im Fach Regelungstechnik, wo auch die von ihm
unterstützte Gründung eines Instituts für Regelungstechnik vorbereitet wurde (Beauftragter: Heinrich Wilhelmi). Die 1957 von
Reinisch verfasste Dissertation mit dem Thema „Zur Strukturoptimierung linearer stetiger Regelkreise“ gilt als die erste
regelungstechnische Dissertation in der DDR. Im gleichen Jahr wurde durch die Deutsche Akademie der Wissenschaften (DAW) zu
Berlin eine Arbeitsstelle für „Regelungs- und Steuerungstechnik“ in Dresden gegründet (Leiter: Heinrich Kindler). Hier
übernahm Karl Reinisch den Aufbau und die Leitung der Abteilung „Elektrische Regelungssysteme“ neben den anderen beiden
Abteilungen „Nichtelektrische Regelungssysteme“ (Leiter: Heinz Töpfer) und „Schaltsysteme“ (Leiter: Siegfried Pilz). 1960
wurde er an die Hochschule für Elektrotechnik Ilmenau, die spätere TH Ilmenau und heutige TU Ilmenau, berufen, wo er an der
Fakultät für Schwachstromtechnik das neue Gebiet der Regelungstechnik entwickelte. 1965 legte er seine Habilitation an der
TU Dresden ab und wurde im gleichen Jahr zum ordentlichen Professor der TH Ilmenau ernannt. Im Jahre 1968 folgte ihm auch
Siegfried Pilz von der Akademie in Dresden nach Ilmenau auf den Lehrstuhl Informationstechnik, sein Nachfolger in Dresden wurde
Hans-Joachim Zander. Im Rahmen der Hochschulreform 1968 wurden auf Initiative von Karl Reinisch vier Institute in der neu gebildeten
Sektion für Technische und Biomedizinische Kybernetik zusammengeführt. Das von ihm aufgebaute Institut für Regelungstechnik und den
1968 daraus hervorgegangenen Fachbereich Automatische Steuerung leitete er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1986. Seine Arbeiten
erstreckten sich besonders auch auf nicht-technische Systeme. In den 1970er Jahren begann er mit Lehre und Forschung zur Dynamik
und Simulation ökologischer Systeme, wie später das darauf aufbauende TU-Fachgebiet benannt wurde, das den Umweltsystemwissenschaften
zuzurechnen ist. – Für seine Leistungen wurde ihm 1987 die Ehrendoktorwürde der TU Dresden verliehen. Auch nach seiner Emeritierung
war Reinisch wissenschaftlich aktiv. 1995 wurde er ordentliches Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt.
Noch bis 1996 hielt er an der Technischen Universität Ilmenau Vorlesungen für das Institut Automatisierungs- und Systemtechnik.
Aus dem Umfeld von Reinisch sind auch zahlreiche Professoren hervorgegangen: Ulrich Engmann, Manfred Günther, Tatjana Lange,
Jan Lunze, Rainer Müller, G. Otto, H. Puta, Michael Roth, Josef Sponer, Günter Stein, Jürgen Wernstedt u. a. Seine Ausstrahlung
ging weit über das Fachliche hinaus, beispielsweise bei den von ihm organisierten, ökumenischen Vortragsveranstaltungen zu
philosophischen und religiösen Fragen. Sie fanden zur Zeit der DDR in Räumen seiner Kirchgemeinde statt und führten Vertreter
unterschiedlichster Richtungen zusammen. In der Zeit der friedlichen Revolution von 1989 und danach waren sein Rat und seine
Mitwirkung auch in weit größerem Rahmen gefragt. Am 24. Januar 2007 starb Karl Reinisch nach langer, schwerer Krankheit im Alter
von 85 Jahren.