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Jean Piaget


Intelligence is what you use when you don't know what to do.


Jean Piaget [ʒɑ̃ pjaˈʒɛ] (* 9. August 1896 in Neuchâtel; † 16. September 1980 in Genf) war ein Schweizer Biologe und Pionier der kognitiven Entwicklungspsychologie sowie Begründer der genetischen Epistemologie. Letzteres war eines der großen im 20. Jahrhundert entwickelten Forschungsprogramme zur Verwissenschaftlichung der traditionell als Teil der Philosophie angesehenen Erkenntnistheorie bzw., im französischen Kontext, Epistemologie. «Genetisch» ist dabei im Sinne von «die Genese (Entstehungsgeschichte, Entwicklung) betreffend» zu verstehen (und damit meist nicht im Sinne von «erblich programmiert» oder «die erbliche Information betreffend»). Nicht gekennzeichnetes Grab von Jean und Valentine Piaget, Cimetière des Rois, Genf Piagets Vater Arthur Piaget war in Neuchâtel Professor für Literaturwissenschaften. Die Mutter beschrieb Piaget in seiner Biografie als sehr intelligent, aber neurotisch. Dadurch wurde das Familienleben sehr belastet und hat vermutlich Piagets große Ängstlichkeit mit bewirkt. Er wurde dadurch daran gehindert, sich wie andere Knaben seines Alters zu verhalten und Sport zu treiben. Stattdessen befasste sich Piaget schon im Alter von 8 Jahren mit wissenschaftlichen Themen. Zunächst interessierte er sich vor allem für Mechanik und entwarf ein Auto mit Dampfmotor. Bald fesselte ihn aber die Vogelwelt und er verfasste handschriftlich ein kleines Büchlein mit dem Titel „Unsere Vögel“. Sein Vater machte darüber allerdings eine abfällige Bemerkung, die Piaget wohl sehr kränkte, denn er erwähnte den Vorfall Jahrzehnte später in seiner Biografie. Nach der Aufnahme ins Gymnasium im Alter von 10 Jahren, beschloss Piaget nach eigenen Worten „ernsthafter zu werden“. Er schrieb einen Artikel über einen Spatzen-Albino, den er beobachtet hatte. Der Aufsatz wurde in der Zeitschrift für Naturgeschichte publiziert. Der Erfolg animierte Piaget dazu, sich im Museum für Naturgeschichte um ein Praktikum zu bewerben. Dort wurde er lange und intensiv von Paul Godet betreut, der das Museum leitete. Er führte Piaget in die Molluskenforschung ein. Bis zu seinem Abitur hatte Piaget bereits 20 wissenschaftliche Arbeiten über Mollusken publiziert. Piaget wurde dadurch «in wenigen Jahren zu einem international geachteten Fachmann» auf diesem Gebiet. Er begann danach ein Studium der Biologie, das er bereits nach 3 Jahren mit der Promotion abschloss. Diese kurze Studienzeit ist umso bemerkenswerter als Piaget wegen seiner angeschlagenen Gesundheit ein Jahr pausieren musste. Etwa ab seinem sechzehnten Geburtstag beschäftigte sich Piaget, der bis in seine frühen Erwachsenenjahre auch im Protestantismus seiner westschweizerischen Heimat verwurzelt war, außerdem intensiv mit Philosophie – was ihn jedoch weniger zu einer Umorientierung als dazu führte, dass er sich nicht mehr nur für das biologische Problem der Anpassung des Organismus an seine Umwelt interessierte, sondern «in der Biologie die Erklärung aller Dinge und des Geistes selbst» sah und schließlich den Entschluss fasste, sein Leben «der biologischen Erklärung der Erkenntnis zu widmen». 1921 wurde er an die Universität Genf berufen, an das Institut Jean-Jacques Rousseau (École des sciences de l’éducation), dessen Leiter er von 1933 bis 1971 war. Jean Piaget setzte sich intensiv mit der Psychoanalyse auseinander, er absolvierte, bei der seit 1919 im Institut mitarbeitenden Ärztin und Psychoanalytikerin Sabina Spielrein, eine Lehranalyse. Im Jahr 1923 heiratete er Valentine Châtenay. Seine drei Kinder waren ihm unter anderem Studienobjekte für seine wegweisenden Forschungen zur Entwicklung der Intelligenz von der Geburt bis zum Erstspracherwerb. Nach einer Vortragsreise Maria Montessoris durch verschiedene Schweizer Städte 1932, wurde Piaget erster Präsident der in Genf neu gegründeten »Schweizerischen Montessori-Gesellschaft«. Er war von 1929 bis 1954 Professor für Psychologie an der Universität Genf und anschließend Leiter des 1955 von ihm gegründeten Centre International d’Épistémologie Génétique, ebenfalls in Genf. Außerdem hatte er Professuren an der Universität Lausanne, Université de Neuchâtel und an der Sorbonne in Paris inne. Jean Piagets Werk ist vor allem ein psychologisches Werk, das aber auf der Idee beruht, die Erkenntnis biologisch zu erklären. Seine Bücher erschienen zunächst in französischer Sprache und wurden meist erst viele Jahre später ins Deutsche übersetzt. Die ersten französischen Originaltexte von Nachahmung, Spiel und Traum erschienen beispielsweise 1945 die deutsche Ausgabe von 1969 beruhte auf der überarbeiteten und erweiterten Publikation von 1959. Zentraler Gedanke der Épistémologie (Wissenschaftstheorie bzw. Erkenntnistheorie) Piagets ist, dass auch die menschliche Intelligenz und Erkenntnis, von der Auseinandersetzung des Organismus mit seiner Umwelt her, prozessual verstanden werden müsse. Dies schließt einfaches Lernen im Sinne des zu Anfang des 20. Jahrhunderts dominierenden klassischen Behaviorismus – Konditionierung und Habituation – als Grenzfall ein, geht aber darüber hinaus, weshalb Piaget das im Zentrum des klassischen Behaviorismus stehende Reiz-Reaktions-Schema um den Organismus als drittes, vermittelndes Element ergänzt. Immanuel Kant, dessen Erkenntnistheorie er untermauern wollte (wobei das Apriori-Verständnis der genetischen Epistemologie aber an Kant vorbeilaufe), der an Kant anschließende Pragmatismus John Deweys, die französische Psychologie des frühen 20. Jahrhunderts (Édouard Claparède u. a.), die moderne, strukturalistische Mathematik (Nicolas Bourbaki), die Kybernetik, die sich ab den 1940er Jahren ebenfalls formaler Modelle des eistes bediente.

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