Das kennen wir ja aus der Wissenschaftsgeschichte, dass die Leute wichtige Entdeckungen dem Zufall verdanken. Sie finden beispielweise nicht das heraus, was sie gesucht hatten, sondern etwas anderes, von dem sich dann aber herausstellt, dass es sehr viel wertvoller ist als das eigentlich Gesuchte. Um solche Zufälle nutzen zu können, muss man neben der Suchperspektive, in der man enttäuscht wurde, immer auch noch zweite und dritte Perspektiven parat haben, in denen die vermeintliche Enttäuschung auch anders gewertet werden kann.
André Kieserling (* 1962 in Dortmund) ist ein deutscher Soziologe. Seit dem Sommersemester 2006 bekleidet er die Professur für Allgemeine Soziologie und soziologische Theorie
an der Universität Bielefeld, die zuvor Niklas Luhmann und Rudolf Stichweh innehatten. Kieserling erwarb 1988 einen Abschluss in
Philosophie an der Universität Frankfurt und studierte anschließend bis 1990 Soziologie in Bielefeld. Ab 1995 war er dort wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Luhmann und
nach dessen Emeritierung 1993 bei Stichweh. 1994 war er Gründungsmitglied und Herausgeber der Zeitschrift Soziale Systeme, bei der er bis 1995
auch als Redakteur fungierte. Von 1995 bis 2001 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter von Ulrich Beck am Institut für Soziologie der
Ludwig-Maximilians-Universität München und Redakteur der Zeitschrift Soziale Welt. 1997 wurde Kieserling in Bielefeld mit der
Dissertation Kommunikation unter Anwesenden über Interaktionssysteme promoviert. Von 1998 bis 2000 führte er ein Habilitationsprojekt
zum Thema „Soziologie der Soziologie“ durch. Im Jahr 2000 war er am Aufbau einer Arbeitsgruppe für Organisationssoziologie beteiligt. Von 2001 bis 2006 hatte
Kieserling den Lehrstuhl für politische Soziologie und soziologische Theorie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz inne. Seit 2002
ist er zudem als Gastprofessor an der Universität Wien tätig. 2006 folgte er Rudolf Stichweh auf den früheren Lehrstuhl Luhmanns.
Kieserling gehört neben Dirk Baecker, Elena Esposito, Stefan Kühl, Peter Fuchs, Veronika Tacke, Andreas Göbel, Armin Nassehi und
Stichweh zu den bekannteren Weiterentwicklern von Luhmanns Systemtheorie. Er gab mehrere Werke aus dessen Nachlass heraus. Seit 2015
leitet er das von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaft und der Künste geförderte Langzeitprojekt zur Erschließung und
Edition des wissenschaftlichen Nachlasses Luhmanns.