Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.
Kurt Tsadek Lewin (geboren am 9. September 1890 in Mogilno, Provinz Posen; gestorben am 12. Februar 1947 in Newtonville, Massachusetts) war ein deutscher Sozialpsychologe.
Er gilt als einer der einflussreichsten Pioniere der Psychologie. Er ist einer der Begründer der modernen experimentellen Sozialpsychologie und gehört, zusammen mit Max
Wertheimer, Wolfgang Köhler und Kurt Koffka, zu den „großen Vier“ der Berliner Schule der Gestaltpsychologie. Sein Name ist weiterhin verbunden mit der „Feldtheorie in den
Sozialwissenschaften“. Nach Lewin wurde das von ihm entwickelte 3-Phasen-Modell bezeichnet. Kurt Lewin wuchs in einem jüdischen Elternhaus auf und erhielt eine orthodoxe
Erziehung. Der Beruf seines Vaters Leopold Lewin (1852–1934) wird mit „Gutsbesitzer und Kaufmann“ bezeichnet. Seine Mutter Recha Engel (geb. 1866) wurde am 20. Juli 1943
aus den Niederlanden in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet. Er hatte eine ältere Schwester Hertha (1888 geborene Lewin; verh. Putzrath; gest. 1975)
und zwei jüngere Brüder, Egon (1893–1951) und Fritz (1895–1918). 1905 siedelte die Familie von Mogilno (heute Polen) nach Berlin über, wo Lewin bis zum Februar 1908 das
Kaiserin-Augusta-Gymnasium besuchte. Im April 1909 begann er ein Medizinstudium in Freiburg i. Br., wechselte ein Semester später nach München und anschließend nach Berlin,
wo er schließlich zur Psychologie und Philosophie unter Carl Stumpf wechselte. Zu seinen Lehrern zählten unter anderem die Philosophen Alois Riehl, Benno Erdmann, Jonas Cohn,
Heinrich Rickert und Ernst Cassirer sowie die Mediziner und Physiologen Heinrich Wilhelm Waldeyer und Ludwig Haberlandt. Kurt Lewin heiratete 1917 Maria Landsberg und nach
der Scheidung 1929 Gertrud Weiss (1896–1986). Er hatten vier Kinder: Esther Agnes und Reuven Fritz aus erster und Miriam Anna und Daniel Meier aus zweiter Ehe. Mit dem
Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete sich Lewin als Kriegsfreiwilliger und diente bis zum Ende des Krieges. Er wurde 1918 schwer verwundet; erst 1919 wurde er,
ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz, aus dem Lazarett entlassen. Im Krieg konnte er seine Promotion, deren experimentelle Arbeiten er in den Jahren 1912 bis 1914
leistete, nicht fertigstellen, und wurde 1916 mit einer Arbeit zu dem „Grundgesetz der Assoziation“ promoviert. 1920 reichte er eine Monographie mit dem Namen
Der Begriff der Genese in Physik, Biologie und Entwicklungsgeschichte als Habilitationsschrift ein. Dieses Buch wurde später als „Geneseschrift“ bekannt. Das Buch traf
aber bei den Gutachtern auf Unverständnis und wurde deshalb zurückgezogen, stattdessen wurde der Weg zu einer kumulierten Habilitation eingeschlagen. Kern dieser
kumulierten Habilitation war eine deutlich ausgebaute Version seiner Doktorarbeit. Mit Beginn der 1920er Jahre begann er die Lehrtätigkeit an der Berliner
Friedrich-Wilhelm-Universität und konnte bis zu seiner Emigration in die USA 1933 an dieser Universität lehren und forschen. Zusammen mit Wolfgang Köhler, Kurt
Koffka und Max Wertheimer bildete er in dieser Zeit die Berliner Schule der Gestaltpsychologie. Neben vielen anderen Arbeiten begann er 1926 seine „Untersuchungen
zur Handlungs- und Affektpsychologie“, die bis weit in die 1930er Jahre dauerten und aus über 20 verschiedenen experimentalpsychologischen Einzelstudien bestehen.
Die theoretische Auswertung leistete er vor allem in den Monographien „Prinzipien der topologischen Psychologie“ und „The Conceptual Representation and the Measurement
of Psychological Forces“. Die experimentellen Arbeiten wurden von seinen Doktoranden und Doktorandinnen ausgeführt (s. u. deutsche Forschungsgruppe). Manche von ihnen
zählen zu den bedeutenden Arbeiten innerhalb der experimentellen Psychologie (zur Psychischen Sättigung, die man als Beginn der Burnout-Forschung ansehen kann, zum
Zeigarnik-Effekt, zum Ovsiankina-Effekt). Angesichts der politischen Lage knüpfte Lewin schon früh Kontakte in die USA. 1932 wurde er auf eine halbjährige Gastprofessur
an die Stanford University geladen. Obwohl er nach der nationalsozialistischen Regierungsübernahme als "Frontkämpfer" des Ersten Weltkriegs vor einer Entlassung als
Jude zunächst geschützt war, lehrte er auf Einladung Robert Ogdens, ehemals Student bei Oswald Külpe in Würzburg, ab Herbst 1933 an der Cornell-Universität. Auf Bitte
Wolfgang Köhlers wurde er 1933 als planmäßiger Assistent und nichtbeamteter außerordentlicher Professor am Psychologischen Institut der Berliner Universität beurlaubt.
Erst 1936 wurde ihm die Lehrbefugnis an der Berliner Universität aufgrund des Reichsbürgergesetzes entzogen. 1935 wechselte an die Universität von Iowa, wo er neun
Jahre blieb, bis er 1944 am MIT eine Anstellung und ein Institut, das „Research Center of Group Dynamics“ erhielt. 1947 starb er an Herzversagen durch Überarbeitung in
Newtonville bei Boston. Zu dieser Zeit war er einer der bekanntesten Psychologen der Welt. Die experimentelle, geprüfte, dynamische Individualpsychologie, die er in
Deutschland entwickelt hatte, ist das theoretische Fundament, mit der die experimentelle Erforschung der kleinen Gruppe zu Beginn der 1940er Jahre begann. Startschuss
war das mit Ralph White und Ronald Lippitt durchgeführte Experiment „patterns of aggressive behavior in experimental created ‚social climates‘“, in der die Frage des
Verhaltens und der Arbeitsleistung einer kleinen Gruppe, unter Variation der Führungsstile demokratisch, autoritär und laissez-faire, geprüft wird. Von diesem
Experiment geht die moderne Forschung zu Führungsstil (Wirtschaft) und Erziehungsstil (Pädagogik) aus. Da es sich um die Aufklärung des dynamischen Verhaltens
von Gruppen handelt, wird dieser ganze Bereich auch Gruppendynamik genannt. Von diesem Experiment bis zu seinem Tod leisteten er und seine amerikanische Forschungsgruppe
(s. u.) die oft erstmalige experimentelle Aufarbeitung zentraler Themen der Sozialpsychologie u. a. Gruppe und Führung, Motivation, Meinung und Einstellungsveränderung.
Auf dieser Basis entwickelten sie zusätzlich zahlreiche Methoden, wie das Sensitivitätstraining oder die T(rainings)-Gruppe (engl. auch als sensitivity training group
bezeichnet), die ein Grundmodell jeder Selbsthilfegruppe darstellt. Bis heute strittig ist der Umfang der Neuerungen an sozialen Techniken, die von Lewin und seiner
Gruppe ausgehen; die Meinungen dazu reichen von „sehr wenig“ bis „zentral für die Wissenschaftsgeschichte“. Methodisch hat Lewin früh den Film als Dokumentationsmethode
verwendet. In seinen Büchern nutzte er viele grafische Darstellungen zur genauen Darlegung bzw. Veranschaulichung seiner Vorstellungen. Seine theoretischen Schriften
sind in deutscher Sprache vor allem durch die Sammelbände „Die Lösung sozialer Konflikte“ (1953) und „Feldtheorie in den Sozialwissenschaften“ (1963) bekannt geworden.
Lewins Grab befindet sich auf dem Mount Auburn Cemetery in Cambridge, Massachusetts.